Höhenkrankheit durch Dunstabzugshauben?

Wie viel Unterdruck erzeugt eigentlich eine Dunstabzugshaube? Kann es so viel werden, dass man beim Kochen an Höhenkrankheit leiden kann?

Der Beste Weg das herauszufinden ist, es zu messen….

Eine Dunstabzugshaube ist im Prinzip ein großes Gebläse, das die Luft aus der Küche über dem Kochherd absaugt und nach draußen bläst. Das ist eine gute Sache, damit sich die Gerüche und der Dunst nicht in der ganzen Wohnung ausbreiten. Wenn dieses Abluftgebläse aber die Luft aus der Küche absaugt, dann erzeugt er gleichzeitig einen Unterdruck in der Küche. Das ist Physik! Und ein zu niedriger Luftdruck ist für den Menschen gefährlich. Solche Abluftventilatoren machen ziemlich viel Lärm, also müssen sie auch stark sein. Das ist bei Autos ja auch so: Laut = schnell! – oder so. Starke Ventilatoren können einen großen Unterdruck erzeugen – kann also meine Dunstabzugshaube einen tatsächlich gesundheitsschädlichen Unterdruck in meiner Küche erzeugen?

Spoiler-Alert: Die Antwort lautet ja und nein! Aber schauen wir uns das im Detail an, Schritt für Schritt:

Höhenkrankheit?

Um diese Frage beantworten zu können, muss man zunächst einmal betrachten, ab wann ein zu geringer Luftdruck gefährlich ist. Auf Meereshöhe beträgt der Luftdruck etwa 1013 hPa. In 2500 m (8202 ft) Höhe beträgt der Luftdruck nur noch 747 hPa. Für durchschnittlich trainierte Menschen ist dies nur selten gefährlich, aber man kann schon mal kurzatmig werden. Der Luftdruck auf dem Mount Everest beträgt nur noch 314 hPa. Dies ist normalerweise selbst für gut trainierte Menschen nur mit einer speziellen Sauerstoffausrüstung zu überleben.

Je nach individueller Konstitution können Symptome der Höhenkrankheit bereits ab 700 hPa auftreten. Ich wohne auf 341 m über dem Meeresspiegel, und der Luftdruck beträgt bei mir im Durchschnitt 972 hPa. Wenn meine Dunstabzugshaube also einen Unterdruck von 270 hPa erzeugt, könnte ich beim Kochen Symptome der Höhenkrankheit zeigen. Ich erinnere mich, dass ich letzte Woche, als ich Glühwein kochte, Kopfschmerzen bekam. Ich frage mich, ob dies bereits die ersten Symptome der Höhenkrankheit waren?

Den Luftdruck messen.

Der barometrische Druck wird normalerweise mit einem Barometer gemessen. Daher wäre es doch auch logisch, auch den Druckunterschied in meiner Küche mit einem Barometer zu messen:

Mein Wohnzimmerbarometer zeigte aber keinen Unterschied an, wenn die Dunstabzugshaube ein- oder ausgeschaltet war. Das könnte entweder bedeuten, dass das Gebläse doch nur sehr wenig Unterdruck erzeugt, oder dass mein Barometer solche Druckänderungen nicht messen kann. Eine digitale Lösung mit höherer Genauigkeit wäre wohl besser geeignet.

Der QMP6988 ist ein hochpräziser Luftdrucksensor. Er wird in der M5Stack ENV III Einheit verwendet und ich habe diesen Sensor bereits in meinem “M5ATOM ENV mini data monitor” Projekt verwendet. Im Datenblatt steht, dass der Sensor einen Druckbereich von 30kPa bis 110kPa messen kann:

Das entspricht einem Bereich von +9000m (29527ft) bis -500m (-984ft) über bzw. unter dem Meeresspiegel. Das sollte ausreichen, um das potenzielle Risiko in meiner Küche abbilden zu können. Die absolute Genauigkeit des Sensors beträgt +/- 1hPa, aber die relative Genauigkeit ist deutlich höher:

Eine relative Genauigkeit von +/-0,039hPa, was einem Höhenunterschied von 0,5 m entspricht, sollte ausreichen, um die Wirkung der Dunstabzugshaube in meiner Küche zu messen. Den Unterschied zwischen Präzision und Genauigkeit von Luftdrucksensoren hatte ich ja schon mal beschrieben.

Der Sensor ist über I²C an den M5Stack angeschlossen. Auf dem M5STack läuft eine Firmware, mit der die Daten auf einer SD-Karte gespeichert werden. Die Software kann auf GitHub heruntergeladen werden. Eine Beschreibung, wie die Software im Detail funktioniert, kann im Projektbeitrag auf Hackster.io nachgelesen werden.

Erwartetes Messergebnis

Nehmen wir an, ich messe den Luftdruck in meiner Küche eine Zeit lang, ohne dass die Abzugshaube läuft. Dann schalte ich sie ein und messe den Luftdruck erneut für eine bestimmte Zeit. Und um die Messung genauer zu machen, wiederhole ich diesen Vorgang ein paar mal. Dann würde ich ein solches Ergebnis erwarten:

Natürlich müssen während der Messung alle Fenster und Türen in der Küche geschlossen sein. Sonst käme sofort Luft herein, ohne dass in der Küche ein Vakuum entstehen könnte. Und natürlich erwarte ich, dass die Daten viel verrauschter sein werden als in dem Bild skizziert.

Erste Messung

Für die erste Messung habe ich den Sensor auf der Küchenarbeitsplatte in der Nähe der Kochplatte platziert (siehe Bild oben). Dann habe ich 100 Datenpunkte bei ausgeschaltetem Gebläse und dann 100 Datenpunkte bei eingeschaltetem Gebläse auf der höchsten Leistungsstufe gemessen. Diese Messung habe ich dann viermal wiederholt. Und hier sind die Ergebnisse:

Die gute Nachricht ist, dass ich während der Messung keine Symptome von Höhenkrankheit gezeigt habe. Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass die Daten keinen Einfluss des Lüfters aufwiesen. Zumindest gab es keine sichtbare Veränderung des Luftdrucks in Abhängigkeit vom Funktionszustand des Lüfters. Hingegen ist eine deutliche Luftdruckveränderung über die Zeit von 0,29hPa zu erkennen. Dies ist eine normale wetterbedingte Änderung des Luftdrucks. Solche Änderungen können leicht bis zu 45hPa und manchmal sogar mehr betragen. Nur um einen Eindruck von diesem Wert zu bekommen: 45hPa entsprechen einer Höhenänderung von 388m (1273ft). Das folgende Diagramm zeigt die Änderungen des Luftdrucks über einen Zeitraum von 35 Tagen in meiner Heimatstadt:

Die horizontale Linie zeigt den nominellen Luftdruck für die Höhe meiner Wohnung an. Die vertikale Linie zeigt den Tag der Messung in meiner Küche. Es ist klar zu erkennen, warum die Daten in der Küche einen solch starken Trend gezeigt haben.

Doch zurück zu den Messungen: Auch wenn ich die Mittelwerte der einzelnen Zustände (Ventilator EIN / Ventilator AUS) berechne und statistisch betrachte, lässt sich kein Effekt feststellen. Die witterungsbedingte Veränderung überlagert jeden messbaren Effekt des Lüfters:

Bei der Grafik handelt es sich um einen sogenannten “Box-Plot”: Die dicken horizontalen Linien zeigen den Median (Mittelwert) aller Datenpunkte an. Die graue Box entspricht dem Bereich, in dem die mittleren 50 % der Daten liegen. Die Antennen zeigen die außerhalb der Box liegenden Werte an. Durch diese Darstellung erhält man einen guten visuellen Eindruck über die Verteilung der Daten. Und wenn sich die Boxen unterschiedlicher Messungen überlagern, dann gibt es in der Regel auch keinen Effekt.

Zweite Messung

Es sieht so aus, als würde die Dunstabzugshaube in meiner Küche nur einen sehr geringen Unterdruck erzeugen. Das ist beruhigend, denn dann muss ich nicht befürchten, beim Kochen in der Küche höhenkrank zu werden. Das bedeutet allerdings, dass die Kopfschmerzen, die ich letzte Woche bei der Zubereitung von Glühwein hatte, wohl eher eine andere Ursache haben müssen.

Aber selbst wenn es sich nur um einen leichten Unterdruck handelt, muss er doch messbar sein. Deshalb habe ich den Sensor direkt unter die Dunstabzugshaube gestellt und die Messung wiederholt. Diesmal mit nur 30 Messpunkten pro Ventilatorstufe um den Einfluss von wetterbedingten Luftdruckschwankungen zu minimieren.

Diesmal zeigte sich in den Daten eine deutliche Korrelation zwischen den Zustandsänderungen der Dunstabzugshaube und den gemessenen Luftdruckwerten:

Auch in diesen Daten war noch eine leichte zeitliche Abweichung zu erkennen: Die Werte stiegen wetterbedingt kontinuierlich an. Da aber die Dauer der Messung kürzer war (30 statt 100 Messpunkte) und der Sensor näher an der Dunstabzugshaube platziert war, konnte tatsächlich ein Effekt gemessen werden:

Es ist in den Daten deutlich zu erkennen, dass der Luftdruck beim Einschalten des Gebläses abfällt und beim Ausschalten wieder ansteigt. Das entspricht eher meinen Erwartungen, aber der absolute Unterschied beträgt nur etwa 1,2 Pa. Mit anderen Worten: 0,012 hPa. Kein Wunder, dass mein Wohnzimmerbarometer nicht in der Lage war einen Unterschied zu messen.

Dritte Messung

Um die Wirkung des Lüfters noch deutlicher messen zu können, habe ich den Sensor mit einer Pappröhre direkt an die Unterkante der Haube angeschlossen:

Fun-Fakt: Warum passte die Küchenrolle genau zwischen Töpfe und Abzugshaube? Hat entweder unser Küchenbauer das so geplant, oder haben die Topfhersteller die Höhe der Töpfe entsprechend berücksichtigt? Das klingt doch nach einer Verschwörung, oder?

Wie auch immer, die dritte Messung habe ich wieder mit 30 Messwerten für EIN und AUS durchgeführt und die gemessenen Daten zeigten dieses Mal einen richtig deutlichen und starken Effekt:

Die Ergebnisse zeigten eine absolute Druckdifferenz von mehr als 0,4 hPa (40 Pa), was einer Höhendifferenz von etwa 3,5 m (12 ft) entspricht.

Bei einem so geringen Unterdruck ist das Szenario, dass meine Dunstabzugshaube Höhenkrankheit verursachen kann, wohl eher fiktiv. Das ist beruhigend. Ein Blick in das Datenblatt eines Dunstabzugshaubenherstellers sagt, dass am Punkt des besten Wirkungsgrades ein maximaler Unterdruck von gerade einmal 4 hPa erzeugt wird:

Es wäre vielleicht hilfreich gewesen, vorher einen Blick in das Datenblatt zu werfen, aber selber zu messen, ob man wirklich ohne Risiko kochen kann, ist immer gut – und macht mehr Spaß als Datenblätter zu lesen!

Der Wert des von meiner Dunstabzugshaube erzeugten Druckunterschieds mag niedrig sein, aber er kann trotzdem gefährlich werden. Warum? Nun, lasst es mich erklären:

Die Gefahr des Unterdrucks

Ein weiterer Blick in das Datenblatt sagt: “Große Vorsicht ist geboten, wenn die Dunstabzugshaube gleichzeitig und im selben Raum oder Bereich des Hauses wie ein anderes raumluftabhängiges Heizgerät verwendet wird.“.

Im Detail: Befindet sich in der Wohnung ein Ofen, ein Kamin oder eine Gas- oder Ölheizung, die die Raumluft zur Verbrennung benötigt, so kann schon ein Unterdruck von etwa 4 Pa gefährlich werden! Das folgende Bild zeigt, wie in einem solchen Fall die giftigen Dämpfe aus dem Kamin in den Raum gesaugt werden können:

Deshalb sollte man immer ein Fenster öffnen, wenn man eine Dunstabzugshaube zusammen mit einem Kamin benutzt.

WICHTIG: Um den Unterdruck exakt zu bestimmen, muss eine Differenzdruckmessung durchgeführt werden. Man sollte sich nie auf die Werte einer solchen einfachen DIY-Messung verlassen. Man sollte immer einen Schornsteinfeger zu Rate ziehen! Die relative Genauigkeit von +/-3,9 Pa des QMP6988 reicht nicht aus, um eine solche Gefahrensituation auszuschließen. Es werden genauere Messgeräte benötigt. Geht also auf Nummer sicher und fragen einen Experten!

Echte Gefahr oder eine Übertreibung der Situation?

Zurück zur Ausgangsfrage, ob meine Dunstabzugshaube in der Lage ist, einen gefährlichen Unterdruck in meiner Küche zu erzeugen: JA, Unterdruck kann gefährlich sein, wenn es offene Kamine in der Wohnung gibt. Dann besteht die Gefahr einer Vergiftung durch Rauchgase. Auf der anderen Seite: NEIN, es besteht keine Gefahr der Höhenkrankheit. Einen so großen Unterdruck erzeigen auch industrielle Abzugshauben nicht.

Auch wenn sich eine Dunstabzugshaube somit nicht zum Höhentraining für Bergtouren eignet, so war es doch eine Spannende Aufgabe, mit dem ENVIII-Sensor den Unterdruck in meiner Küche zu messen.

Diesen Beitrag gibt es auch als Projekt auf Hackster.io und die Software für den ENVIII Sensor und den M5Stack kann auf GitHub heruntergeladen werden.